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Franz Dobler: The Beast in me

Johnny Cash und die seltsame und schöne Welt der Countrymusik,
Verlag Kunstmann

Manchmal wird man auf dem falschen Fuß erwischt. Ich freu mich gerade über die neue Jon Langford CD, als der Postmann zum zweiten Mal klingelt und dieses Mal ist's Made in Germany. Franz Dobler hat in einem Doppelschlag CD und Buch zu Johnny Cash herausgebracht. Soll ich erst die eine oder die andere hören? Ich entschließe mich zu einem Kompromiss: Ich höre Langford und lese über Cash, was sich im Nachhinein (aber erwarteter Weise) als nicht einmal unpassend herausstellt.
Als ich mein erstes Tonband (Ende 64) bekam, gehörte ein Song zu meinen frühen Mitschnitten, bei dem ich den Sänger nicht kannte: Ring of fire. Das muss wohl ein mittlerer Erfolg in Deutschalnd gewesen sein. Ich hatte vom Interpreten keinerlei Ahnung, war aber dann später der Meinung, dass es ein so starker Song sei, dass auch Eric Burdon ihm nichts anhaben konnte. Ich meine auch, damals Stimmen gehört zu haben, die sagten, dass Cash ein lausiger amerikanischer Patriot sei, sozusagen ein Imperialistenschwein. Dem widersprachen andere Pressestimmen, aus denen die Geschichte hinter dem Man In Black klar werden sollte. Ich fand's immer widersprüchlich. Dass er im Knast sang, war allerdings eindeutig ok. Und die Gänsehaut stellte sich regelmäßig ein, wenn die Knackis brüllten. Dass der Urheber Mr. Cash war, bedeutete mir nicht so viel. Bestenfalls dachte ich, dass der Mann wohl in Feindesland leben musste - halt so wie Floyd Westermann oder Archie Shepp.

30 Jahre später schlichen sich mir leicht veränderte Bilder von den USA ins Hirn, die nahelegten, dass vielleicht doch viele Teile das ganze Bild ergeben könnten.
Franz Dobler macht diesen Widerspruch zum Dreh- und Angelpunkt seines Buches. Er versucht erst gar nicht, den ganzen Cash zu liefern. Ihm ist bewusst, dass er wichtige Aussagen Cashs (vor allem zu Religion und Patriotismus) unter den Tisch fallen lässt. Darf man das? Titel und Programm des Buches ist: 'The beast in me'. Der Untertitel heißt nicht 'Biografie', er lautet viel mehr 'Johnny Cash und die seltsame und schöne Welt der Countrymusik'. Folgerichtig fehlen in dem Buch alle 'human touch' Stories, Dobler saß nicht bei Cashes am oder unterm Tisch, er hat auch nicht seine Müllsäcke ausgeleert auf der Suche nach Skandälchen. Dazu besteht bei Johnny Cash ja auch kein Anlass, seine Ups und Downs, Ausschweifungen und Leerläufe hat er in der Öffentlichkeit ausgelebt: das Photo mit den Handschellen ist keine Neuigkeit mehr. Das Bemerkenswerte an dem Buch ist, wie der Autor einige wichtige Phasen im Leben Cashs in den Mittelpunkt stellt, diejenigen, an denen man die lange währende Auseinandersetzung mit dem Nashville-Business z.B. um die Berechtiguing zur eigenen Einflussnahme auf den Aufnahme- und Veröffentlichungsprozess sieht. Dieser fiel Cash nahezu in den Schoß, andere sind daran zerbrochen. Nicht verschwiegen wird, dass er nicht nur das Biest war, in den abgewrackten Zeiten ließ er sich sowohl an der Rhythmusgitarre als auch im Gesang von Johnny Western ersetzen. Da ist es mit künstlerischer Kontrolle nicht mehr weit her gewesen. Anpassung und Unterwerfung werden belegt.
Das Interesse Doblers an Cash wird am deutlichsten, wenn er mit dem Ernest Tubb Zitat 'Good taste is timeless' den Johnny Cash des Jahres 56 mit den Punks aus 1977 in Beziehung setzt. Ich glaube, er spricht es nicht aus, aber Doblers Thema ist die Glaubwürdigkeit, die 'street credibility' von Johnny Cash. Die ausführlich dargestellten Blicke auf Cashs Leben konzentrieren sich daher auf die Anfangsjahre bei Sun, in denen der schnelle Aufstieg deutlich wird, die 'Autobahnen zur Hölle', bei denen Cash u.a. durch Drogen beinahe endgültig aus dem Rennen geschieden wäre, die Auftritte im Knast, die nicht nur zahlreich waren, sondern auch zu künstlerischen Höhepunkten führten. Letztendlich die abgeklärte Altersphase, in der künstlerische Konrolle und das Gewinnen eines neuen Publikums im Mittelpunkt stehen.
Mir gefällt, dass der Autor immer wieder betont, dass unterschiedliche Aussagen der Biografen und Cashs selbst von ihm nicht aufgelöst werden. Letztendlich ist nicht so wichtig, aus welchen Motiven er sich weigert, patriotische Lieder vor Nixon zu singen. Ob's aus Opposition zum Vietnamkrieg war oder weil er sie schlicht nicht auf der Pfanne hatte, so wie er selbst sagt. Interessant ist die Wirkung in der Öffentlichkeit: Man glaubte ihm sofort, dass er sich geweigert hatte, ein rassistisches Lied zu singen. Letztlich ist Johnny Cash nicht nur als musikalischer Innovator wichtig, seine anhaltende Faszination stammt vor allem daher, dass man ihm den freien Geist und das Biest geglaubt hat und immer noch glaubt.

Franz Dobler sagt, er freut sich, dass er nach langer Beschäftigung mit Cash immer noch seine Musik hören kann. Sowieso würde ich sagen und hinzufügen, dass das Buch neues Interesse geweckt hat, auch mal die andere Seite zu lesen, die nicht die 'gute' Böse ist: über den schwachsinnigen Hurrapatriotismus der Amis, die Verlogenheit der Religion. Aber ich denke, Cash bleibt a 'walking contradiction', wie Kris Kristoffersen singt. Mein Amerikabild ist reichhaltiger, allerdings nicht klarer geworden. Es gibt nicht viele von der Statur Johnny Cash, aber eindimensional sind sie alle nicht.
Norbert Knape
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